Ungewissheit bewältigen: wie Führungskräfte Umstrukturierungen erfolgreich begleiten können

Wir erleben zurzeit alle einen Wirtschaftsmarkt in tiefgehendem Wandel. Die verwendeten Management-Modelle und Informationssysteme zeigen deren Grenzen. Sie sind wohl unfähig, die laufenden Phänomene oder jene in zeitlich sehr begrenzter Tragweite zu fassen.

Von Liliane Held-Khawam, Autor des Buches „Management by Coaching: Coping with Complexity in a Changing World“

Die Schlüsselachsen des Unternehmensmanagements

In diesem Zusammenhang ist die Fähigkeit des Managements, den Wandel vorauszusehen und zu beherrschen und in einem Kontext der Ungewissheit, Risiken einzugehen, von entscheidender Bedeutung. Infolgedessen ist es sehr wichtig, die Interrelation der 4 Schlüsselachsen der Unternehmensverwaltung zu beherrschen. Es handelt sich um die folgenden Achsen:

  1. Achse der Strukturen und organisatorischen Tools
  2. Achse des Umfeldes
  3. Achse der Produkte
  4. Achse des Humanfaktors (Menschen)

Diese Elemente können sich sehr schnell weiterentwickeln. Wir werden uns hier insbesondere auf die zwei Achsen der Strukturen und des Humanfaktors konzentrieren. Wir werden danach prüfen, wie eine Integration der Strukturen und der Menschen erfolgreich durchgeführt werden kann, damit das menschliche Potenzial und die Fähigkeit, sich an die Marktbedingungen anzupassen, optimiert werden können.

Restrukturierungen durchführen, um den Anforderungen des Wirtschaftsmarkts entgegen zu kommen

Um dieser Dynamik des andauernden Wandels entgegen zu kommen, führen zahlreiche Unternehmen Umstrukturierungen durch. Die Art auf die die Umstrukturierung durchgesetzt wird, erweist sich manchmal für die Führungskräfte und die Mitarbeiter des Unternehmens als sehr destabilisierend. Restrukturierungen können tatsächlich einen bedeutenden Stressfaktor darstellen und dadurch zu Ineffizienzen führen.

Die hauptsächlichen Charakteristiken, die mit der Einführung eines neuen Management-Modells entwickelt werden sollen, sind die Anpassungsfähigkeit und die Kundenorientierung der Strukturen:

Die Lockerung der Organisationsstrukturen

Um einem sich wandelnden Markt entgegen zu kommen, lockern die Unternehmen ihre Strukturen indem sie autonome Einheiten schaffen. Dies kann bis zur Zersplitterung der großen Abteilungen und zu Zweigniederlassungen führen, indem die Anzahl der Stufen zwischen der Unternehmensführung und den Grundmitarbeitern reduziert wird.

Die Organisation nach durchgehenden Geschäftsprozessen

Diese Vorgehensweise versetzt den Begriff Kundenverhältnis ins Zentrum des Unternehmens. So werden alle Dienststellen um den Kunden herum organisiert. In einer solchen Organisationsform wird die hierarchische Struktur flach gedrückt. Die Optimierung der Geschäftsprozesse von der Entwicklung neuer Produkte bis zur Lieferung an den Kunden wird zur Priorität.

Jede Person, die an einem solchen Prozess teilnimmt, spielt eine lebenswichtige Rolle: sie soll tatsächlich auf bestmögliche Art, auf die Bedürfnisse ihrer eigenen Kunden antworten. Tatsächlich ist bei jeder Änderung des Bedürfnisses des Endkunden, bei jeder Lieferung einer Komponente, bei jeder Neuerung im Geschäftsprozess, eine schnelle und geeignete Reaktion erforderlichDies verlangt also, unter den gegenwärtigen Marktbedingungen, eine ständige Wachsamkeit seitens des Mitarbeiters, sowie immer kürzere Reaktionszeiten. Zudem kann der Mitarbeiter immer weniger auf die Unterstützung seines Vorgesetzten zählen, da dieser selbst auf verschiedenen Fronten gleichzeitig im Einsatz ist. Er soll also fähig werden, Entscheidungen selbst zu treffen, Verantwortung zu übernehmen, und möglicherweise auch vorzugreifen.

Es ist also Aufgabe jedes einzelnen Individuums, neue Lösungen zu finden und sich anzupassen, um so gut wie möglich zu handeln. Der Mitarbeiter muss sich also als kompetent, innovativ und vor allem autonom erweisen. Dazu soll er seine Lieferanten, seine Kunden und sein Team, berücksichtigen. Er kann also nicht mehr darauf warten, dass die Lösungen von den anderen, den Strukturen, den Informationssystemen, oder dem Chef kommen. Die beigebrachten Antworten werden auf die Erfahrung, sowie das Gespür und die Eigeninitiative, gegründet.

Die Ursachen der angetroffenen Schwierigkeiten

In einer prozessorientierten Organisation werden vom Mitarbeiter ein erhöhtes Verantwortungsbewusstsein, einen Anpassungs- und Koordinationstalent, sowohl wie Eigeninitiative und Teamgeist verlangt – Eigenschaften, die er früher viel weniger zu zeigen brauchte. In diesem Kontext ist es klar, dass die Leistungsfähigkeit eines jeden mit immer mehr Aufmerksamkeit bewertet werden wird. Leistungsindikatoren werden wohl das Resultat viel schneller sanktionieren als in einer hierarchischen Organisation.

Die häufige simultane Verwendung eines leistungsabhängigen Entlohnungssystems kann in gewissen Fällen das Gefühl der Hilflosigkeit vieler Mitarbeiter verstärken. Daraus resultiert eine Ängstlichkeit, die sich leicht verbreiten kann und zu einer schwierigen, angespannten und oft negativen Arbeitsatmosphäre führt. Eine solche Angst wird schnell zum Blockierungsfaktor: sie resultiert oft in einer Handlungsträgheit, einem Streben nach Schutz und Sicherheit, und einer Minimierung der genommenen Risiken, obwohl man sich anfänglich mehr Innovation, Eigeninitiative und Begeisterung gewünscht hatte. Andere Ursachen von Fehlverhalten können erwähnt werden:

  • ein Mangel an Autonomie seitens der Mitarbeiter;
  • ein Mangel an individueller Verantwortung;
  • ein ungenügendes Kompetenzniveau wegen fehlender Aktualisierung;
  • ein Verhalten des Managements, das mit dem organisatorischen Modell nicht kohärent ist;
  • eine ungenügende Vorbereitung des Personals für den strukturellen Wandel;
  • die Mitarbeiter fühlen sich als Opfer des von der Unternehmensführung aufgezwungenen Wandels, nicht als Akteure und Partner.

Diese Blockierungsfaktoren sind grundsätzlich mit dem Faktor Mensch verbunden, sowohl auf psychologischer Ebene, wie in Bezug auf dessen Kompetenzniveau.

  • Die möglichen Konsequenzen sind ziemlich unvermeidbar und unangenehm:
  • das Vertrauensverhältnis mit dem Management wird gestört;
  • die Leute werden entmutigt und demotiviert;
  • die Mitarbeiter leisten Widerstand;
  • die Arbeitsatmosphäre, das Sozialklima können sich beträchtlich verschlechtern;
  • die für sich behaltene emotionale Last wird zu groß;
  • die operativen Resultate können sich verschlechtern.

Infolgedessen ist es klar, dass das Management des menschlichen Faktors eine entscheidende Frage istEs ist viel interessanter, die Mitarbeiter zu motivieren und zu Partnern zu machen, als den Wandel aufzuzwingen und Widerstand zu hervorzurufen.

Strukturen und Individuen versöhnen

Die Organisationsstruktur und die Management-Tools bilden nur einen der Aspekte des Unternehmensmanagements. Es kann aber verlockend sein, die Strukturen zu ändern: der Wandel ist verständlich und kann leicht erklärt werden. Dagegen sind die Handlungen bezüglich das Umfeld, die Produkte und der Humanfaktor viel schwieriger zu meistern. Deshalb hat man oft die Tendenz, diese Aspekte zu vernachlässigen.

Beispiel eines Fehlverhaltens: die Anstrengungen des Humanfaktors sind nicht in Richtung eines strategischen Ziels kanalisiert

Wenn ein Abstand zwischen den Kompetenzen, den Motivationen, den Werten oder der Kultur des Humanfaktors und den strategischen Zielen der Organisation besteht, setzt sich dies in Spannungen und Stress um. Dazu wird das Stressniveau proportional zur Grösse dieses Abstands sein.

Der Wandel verlangt aber, dass man auf die vier oben erwähnten Dimensionen gleichzeitig einzuwirken versucht. Auf jeden Fall sollen die Strukturen und die Individuen auf kohärente Art Schritt für Schritt integriert werden.

Die Angemessenheit der Strukturen in Bezug auf den Wirtschaftsmarkt, das Umfeld und das vorhandene menschliche Potenzial ist also wichtiger als das theoretische organisatorische Referenzmodell. Jede bedeutsame Unangemessenheit zwischen den Individuen und den Strukturen kann tatsächlich Stress, Funktionsstörungen und Angst verursachen, welches schlussendlich zu mittelmäßigen und sogar unbefriedigenden Leistungen führen wird.

Den Wandel vorbereiten

Der Wandel muss vorbereitet und gesteuert werden. Idealerweise sollte es sich um einen fortlaufenden und endogenen Prozess handeln. Das heißt, er sollte von den Mitarbeitern getragen und nicht ertragen werden, da sie eine bessere Wahrnehmung der angetroffenen Probleme haben. Sie können zum Wandel in großem Masse beitragen.

Restrukturierungen können harmonisch vor sich gehen, wenn man:

  • eine Vision, d.h. eine klare strategische Orientierung von Anfang an festlegt;
  • eine Sozialklima-Analyse durchführt und dabei die eigenen Stärken, Grundkompetenzen und Schwächen identifiziert. Dabei sollten die eventuellen Blockaden und Funktionsstörungen festgestellt werden, indem die Probleme angeordnet und die Prioritäten klar gesetzt werden;
  • die an die Situation angepassten Maßnahmen bestimmt;
  • die Fähigkeit der Mitarbeiter, diese Maßnahmen zu integrieren, in Betracht zieht;
  • die Maßnahmen auf transparente Art entscheidet und bekannt gibt;
  • den Mitarbeitern die Mittel gibt, den Wandel durchzusetzen;
  • in der Kommunikation die Transparenz ausspielt, um die angegriffene Glaubwürdigkeit des Managements wieder aufzubauen (Worte sollten in Taten umgesetzt werden – und umgekehrt);
  • sich selbst und den Anderen genug Zeit gibt, um den Wandel durchzusetzen.
Schlussfolgerung

Die Herausforderung eines Unternehmens besteht heutzutage darin, in einem globalisierten, komplexen und unbarmherzigen Wirtschaftsmarkt zu überleben, oder sogar voranzukommen. Der organisatorische Wandel sowie die Erwerbung neuer Kompetenzen sollten anhaltend weiterlaufen. Die Schnelligkeit der Reaktion soll jedoch nicht bedeuten, dass man nun ohne Vision und Strategie handeln darf. Im Gegenteil handelt es sich zu solchen Zeiten darum, die strategischen Achsen festzulegen und umzusetzen. Dafür soll von den Mitarbeitern verlangt werden, dass ihre Energie, ihre Kompetenzen, ihre Begeisterung und ihre Kreativität zum Einsatz gebracht werden. Es handelt sich also darum, die menschlichen Kräfte innerhalb der Organisation mobil zu machen.

Die Unternehmen haben oft viel in organisatorische Tools sowie auch in die Ausbildung investiert. Selten sind aber jene, die sich wirklich die Mittel gegeben haben, um ihr menschliches Kapital zu mobilisieren. Die Herausforderung für die Führungskräfte besteht darin, den Wandel sich innerhalb des Unternehmens entwickeln zu lassen. Nur so kann die menschliche Energie zum Aufbau der Organisation mobilisiert werden. Und nur so können die Organisationsstrukturen mit dem bestehenden menschlichen Potenzial harmonisiert werden.

Der Wandel wird dadurch auf natürliche Art erlebt. Ein wenig Psychologie genügt, um die Strukturen zu dynamisieren und beträchtliche Blockaden zu vermeiden. Die Mitarbeiter werden dadurch das Gefühl erwerben, eher die Protagonisten als die Opfer des organisatorischen Wandels zu sein. Der Wandel kann demnach nur einer grundlegenden Haltung der Organisation entsprechen, die sich durch ein natürliches Verhalten der Menschen äußert, und sich Schritt für Schritt auf umfangreiche Art entfaltet.

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