In Krisenzeiten führen: seine Management-Referenzpunkte nach Umstrukturierungsprozessen wiederherstellen

Der Begriff „Krise“ gehört heutzutage zu unserem beruflichen und persönlichen Alltag. Sie liegt im Zentrum unserer Diskussionen, ob zu Hause, im Büro oder in den Medien. Deren psychologische und emotionale Wirkungen auf Individuen – und insbesondere die aktive Bevölkerung – sind beträchtlich. Die Krise wird tatsächlich bei aktiven Individuen zahlreiche Fragen erzeugen, sowie Furcht vor der Zukunft. Die Folgen davon, nämlich Misstrauen, Unsicherheit, sowie Ängste, sind spürbar. Wenn Mitarbeiter solche Emotionen erleben, besteht das Risiko, dass diese ihr berufliches Leben beeinträchtigen werden – und vielleicht sogar lähmen!

Von Liliane Held-Khawam, Autor des Buches „Management by Coaching: Coping with Complexity in a Changing World“

Dazu hat die Krise die abweichenden Verhaltensweisen verschiedener Wirtschaftsakteure ans Licht gebracht. Bei gewissen Individuen konnten ein Streben nach Macht, ein übermäßiger Ehrgeiz und die Intrusion von Privatinteressen beobachtet werden. Das Management dieser Personen wurde buchstäblich vergiftet. Die Resultate dieser Krise haben enthüllt wie viel diese Personen den Markt und dessen Mechanismen pervertiert haben. Wir haben beobachten können, wie der Wert der Arbeit durch den Wert des Geldes als Selbstzweck ersetzt wird. Die Wirtschaftskrise ist also zum großen Teil mit unpassendem menschlichem Verhalten verbunden. Gewisse Männer und Frauen haben sie verursacht, und eine Vielzahl von Menschen muss dafür bezahlen, in Bezug auf ihre Arbeit oder ihre Emotionen.

In den letzten 20 Jahren ist das Unternehmen durch eine tiefgehende organisatorische Revolution gegangen. Es hat von einer hierarchischen zu einer prozessorientierten Organisation gewechselt. Eigentlich haben Unternehmen danach gestrebt, die Arbeitsflüsse zu rationalisieren und optimieren. Um dies zu erreichen sind sie durch zahlreiche Umstrukturierungsprozesse gegangen. Solche Restrukturierungen haben oft Schlagzeilen in den Medien gemacht, in den verschiedenen Regionen der Schweiz wie im Ausland.  Wovon viel weniger gesprochen wurde, waren die Wirkung dieser Restrukturierungen sowohl auf die Arbeitsorganisation als auch auf die einzelnen Individuen. Tatsächlich, obwohl die prozessorientierte Organisation unbestreitbar effizienter ist als die klassische hierarchische Organisation, benötigte der von der aktiven Bevölkerung erforderte kulturelle und Verhaltens-Wandel beträchtliche Anstrengungen.

Individuen werden also dazu gezwungen, ihre Arbeitsweise und ihre Mentalität, sowie ihr Verhalten am Arbeitsplatz, zu ändern. Die Mitarbeiter sind mehr und mehr exponiert: sie müssen Entscheidungen treffen, Verantwortung dafür übernehmen, wodurch die Resultate des Unternehmens beeinträchtigt werden können. Dazu werden die Kommunikationsfähigkeiten, die in der hierarchischen Organisation nur für Manager ab einem gewissen Niveau erforderlich waren, in einer prozessorientierten Organisation für jeden Mitarbeiter von großer Bedeutung. Ähnlicherweise wird der früher den Entscheidungstreffern überlassene Leadership jetzt von allen Managern gefordert, und manchmal auch von vielen Mitarbeitern. Dieser organisatorische Wandel stellt zweifellos einen sehr bedeutenden Stressfaktor dar, der mindestens in den 15 letzten Jahren stark empfunden wurde.

All dies wird noch durch den Zerfall des existentiellen Referenzrahmens des Menschen verstärkt. Der Mensch ist, von seiner Natur her, in Raum und Zeit verwurzelt. Wie jeder weiß, hat sich die Arbeitsumgebung globalisiert, sodass die Grenzen des beruflichen Raums sich mehr und mehr erweitert haben. So kommt es, dass gewisse Mitarbeiter direkt von dem betroffen sind, was in China, Vietnam, Afrika, Lateinamerika oder anderswo passiert. Und dies ohne im Management zu sein! Sie sind also mit einem gigantischen wirtschaftlichen Raum konfrontiert, welcher sie exponiert und verunsichert. Dazu hat der Mitarbeiter diese Situation nicht gewählt, wodurch er sie als einen Zwang erleben wird. Während sein beruflicher Referenzrahmen zusammenbricht, wird gleichzeitig sein Privatleben immer mehr komprimiert. Wie wir es alltäglich feststellen können, nehmen die heutigen Kommunikationsmittel – d.h. das Mobiltelefon und die anderen neuen Technologien – das Privatleben immer mehr in Beschlag, Wochenende und Ferien inbegriffen. Die Wahrheit ist jedoch, dass wir es nicht ertragen können, keine rasche Antwort auf eine  gesendete Email zu bekommen. Wir haben Tendenz zu vergessen, dass der Empfänger in Urlaub oder mit einem wichtigen Ereignis in seinem Privatleben beschäftigt sein kann.

Der Nachteil dieser hocheffizienten Kommunikationstools besteht darin, dass die Zeit, der zweite existentielle Referenzpunkt des Menschen, maximal komprimiert wird. Es wird immer mehr in Realzeit gearbeitet und es scheint, man soll Resultate auf unmittelbare Weise liefern. Zudem erwarten wir auch unmittelbare Antworten auf unsere Anfragen. Die Frage besteht heute darin, zu wissen, wer sich noch etwas Zeit nimmt, um zu überlegen und eine langfristige Vision zu entwickeln.

Wir können also feststellen, dass jede aktive Person in den vergangenen Jahren drei grundlegende Veränderungen in ihrem Alltag erlitten hat: die Veränderung des Wirtschaftsmarkts, die Veränderung der Organisation und der Zerfall des existentiellen menschlichen Referenzrahmens. Diese drei Handlungsachsen haben einen unmittelbaren und tiefgreifenden Einfluss auf das psychische und emotionale Leben der Mitarbeiter. Infolgedessen soll man sich dringend fragen, was aus dem Mitarbeiter bei all dem wird. Wie kann er unter solchen Bedingungen weitermachen, ob beruflich oder in seinem privaten Leben? Wie kann er noch etwas von seiner Motivation und Begeisterung behalten?

Zwischen dem skrupellosen Ehrgeizigen, der sein berufliches Umfeld überhaupt nicht achtet, und der depressiven Person, die vielleicht sogar Selbstmordgedanken hegt, kann zum Glück der grösste Teil der aktiven Bevölkerung einen Mittelweg finden. Tatsächlich kann die Krise nur so überwunden werden, indem die aktive Bevölkerung in diesen Vorgang miteinbezogen wird, d.h. wenn man mit dem Menschen auf den Faktor Mensch wirkt. Die Manager stellen eine Schlüsselbevölkerung dar, die zum Erarbeiten der Lösung viel beitragen kann. Durch eine zu starke Betonung der finanziellen Aspekte der Unternehmensführung hat tatsächlich das Unternehmen die Tendenz, sich von dessen Urzweck zu entfernen, nämlich: einer Gruppe von Individuen (i.e. Kunden) Dienstleistungen und/oder Produkte zu liefern. Es ist also von Anfang an eine menschliche Sache, in der der Mensch – und insbesondere der Manager – einen starken Referenzpunkt darstellt.

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