Die Durchführung von Potenzialanalysen mithilfe von Software-Tools

Der Potenzialeinschätzungs-Prozess sollte vor allem auf die Weiterentwicklung der Mitarbeiter hinzielen, die dann später zur Weiterentwicklung des Unternehmens führt. In diesem Prozess müssen sowohl die Beobachter, als auch das verwandte Material sehr hohen Leistungskriterien entsprechen. Der Stellenbewerber selbst sollte sich als aktiver Partner eines Entwicklungsvertrages verhalten, der erstellt mit der Aussicht wird, ein gemeinsames Ziel zu erreichen.

Von Liliane Held-Khawam, Autor des Buches „Management by Coaching: Coping with Complexity in a Changing World“.

Das Thema der Potenzialanalyse mit Software-Tools liess, lässt und wird noch viel Tinte fließen lassen. Der große Schock hat vor einigen Jahren stattgefunden, als die Arbeitgeber sich nicht mehr mit den Informationen, die berufliche Ausbildung betreffend, oder allem was den Inhalt der Berufserfahrung berührt, zufriedengeben.

Man muss trotzdem wissen, dass die letztere eine hauptsächliche und unerlässliche Dimension im Auswahlprozess bleibt. Nur die Informationen, die sie uns liefert, insbesondere durch den Lebenslauf und Gespräche, die sich auf die prinzipiellen beruflichen Etappen beziehen, beantworten vor allem den für den Posten verlangten „Know-how“ Teil.

Die Stelle erfordert auch eine Reihe von an das Verhalten oder die „Kunst zu sein“ gebundenen Kriterien der Person. Um diesen, das Verhalten betreffenden Teil, mehr einzuschließen, verwenden die Unternehmen Hilfsmittel oder wenden sich an Berater. Sie sind sich mehr und mehr bewusst, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit direkt mit der Motivation und der Dynamisierung ihrer Mitarbeiter zusammenhängt, mehr als mit der puren Suche nach Leistung. Es ist die Zufriedenheit der Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz, die die Leistung erhöht.

Wenn man im allgemeinen von Potenzialanalysen spricht, denkt man an einen Auswalprozess. In diesem Artikel werden wir zu zeigen versuchen, dass eine Beurteilung als Hauptziel die Weiterentwicklung der Mitarbeiter haben sollte, die dann später die Weiterentwicklung der ganzen Organisation erlaubt.

Was ist eine Potenzialanalyse?

Jede aktive Person verfügt über eine gewisse Menge an Energie, die sie seinem Berufsleben zur Verfügung stellen kann. Dieses Potenzial ist genaugenommen persönlich und definiert ihre Besonderheit. Diese Person wird Stärken, Kompetenzen und Fähigkeiten zeigen, die sie in ihre berufliche Aktivität einbringen möchte und weniger entwickelte Punkte, die sie nicht ignorieren kann. Wenn es tatsächlich einen Sinn hat, die Schwächen aufzuzeigen, dann entweder um sie zu entwickeln oder um sie in nicht intensiver Weise herauszufordern. Es ist so, dass die Leute Kraft schöpfen aus Tätigkeiten, die sie mögen und unter Zwang gestresst werden und ermüden.

Eine Beurteilung besteht also darin, jemanden zu kennen, ohne über ihn zu richten, ohne ihn einzuordnen und ohne sein Privatleben zu besprechen (außer, wenn der Bewerber es wünscht darüber zu sprechen). Dies ist nicht sehr einfach zu realisieren und verlangt besondere Qualitäten seitens des Beobachters. Das Verfahren der Beurteilung kann dem Bewerber auch dabei helfen sich besser kennenzulernen.

Wie wird eine Kompetenzbeurteilung durchgeführt?

Eine Beurteilung in einem Auswahlprozess beinhaltet mehrere Phasen:

  • Durchführung eines Beurteilungsgesprächs (Richtlinien), das sofort danach stattfinden soll. Es ist das zentrale Stück des ganzen Bewertungsprozesses. Das Gespräch zielt darauf ab, die von den diversen Tools gelieferten Ergebnisse zu verstehen, zu verdeutlichen und für gültig (oder ungültig) zu erklären. Während dieses Gesprächs wird der Bewerber diesen Ergebnissen selbst Leben verleihen und damit eine Interpretation ermöglichen.

Eine Zusammenfassung wird von dem Beobachter erstellt auf Basis von:

  1. Dem Bewerber gelieferte Informationen (das HR-Tool würde zur Unterstützung des Dialogs verwendet)
  2. Die Beobachtung des Bewerbers durch den oder die Beobachter (die direkten Vorgesetzten werden im allgemeinen mit einbezogen)
  3. Die Ansprüche des Arbeitsplatzes

Demzufolge sind HR-Tools allein nicht in der Lage, ein Individuum vollständig zu beschreiben. Es besteht also das Risiko, übereilt und manchmal falsch zu urteilen. Der Beobachter missachtet also eine wichtige Regel der beruflichen Ethik in diesem Bereich.

Es gibt zwei Situationen, die bei einer Beurteilung vermieden werden sollten:

  1. Eine „technische“ Haltung seitens des Beobachters
  2. Eine „passive“ Haltung des Bewerbers, der die Ergebnisse erwartet wie ein Urteil oder ein Orakel

Jede bewertete Person muss also als Partner ganz mit in die Beurteilung einbezogen werden. Es ist die bewertete Person, die sich selbst kennt, sogar wenn diese Kenntnis nicht strukturiert, ja sogar unbewusst ist. Der Dialog wird dazu führen, ihre Selbstkenntnisse auszudrücken. Dies ist sowohl zugunsten des Bewerteten als auch des Beobachters.

Wer sind die Bewerter?

Lange Zeit waren die Bewerter externe Personen von manchmal etwa variablem Professionalismus. Heute wünschen eine grosse Anzahl von Unternehmen in der Beurteilung autonom zu sein. In diesem Fall sollen interne Beobachter von der Unternehmensleitung anerkannt werden. Insbesondere sollen sie über eine gute Erfahrung bei der Rekrutierung und/oder der Karriereführung verfügen.  Das Tool selbst wird von der Unternehmensleitung akzeptiert oder zuvor getestet.

Der Hauptvorteil eines internen Beobachters liegt darin, dass er das Unternehmen und dessen Kultur gut kennt, und den Prozess relativ schnell durchführen kann. Zudem hat er die Möglichkeit, die Bewerber zu begleiten. Er kann also das Gespräch auf die Stellenforderungen der zu besetzenden Stelle lenken, unter Berücksichtigung vielfältiger Parameter. Seine Beurteilung wird in Bezug auf die Gegebenheiten der Situation so objektiv wie möglich sein, um  den Vorgesetzten, die im allgemeinen die Entscheidung treffen, Empfehlungen unterbreiten zu können.

Der Hauptnachteil eines internen Beraters besteht darin, dass er Informationen (im Anschluss an die Beurteilung) übergeben kann, die nicht immer angenehm sind. Auf jeden Fall ist es wünschenswert, die höheren Vorgesetzten von einem gemischten Team (intern-extern) bewerten zu lassen.

Letztlich sollte eine Beurteilung nicht auf ein „bestanden“ oder „verfehlt“, auf ein „kompetent“ oder „inkompetent“ hinauslaufen, sondern auf eine Übereinstimmung in Bezug auf die klar definierten Anforderungen. Software-Tools zur Potenzialanalyse sollten ein Hilfsmittel bleiben, das die Kommunikation zwischen dem Beobachter und dem Bewerber verbreitet. Dieses Tool soll also nie als ein Zweck in sich selbst betrachtet werden.

Welche Software-Tools zur Potenzialanalyse verwenden?

Es gibt eine Vielfalt von Tools unterschiedlicher Zuverlässigkeit. Arbeitgeber sind verantwortungsbewusste Menschen, die sich für ihr Unternehmen einsetzen. Deshalb werden mehrere HR-Software-Tools zuerst bei einer Gruppe von Führungskräften getestet. Das Unternehmen wählt also dasjenige, das am besten zu seiner Konzeption und Unternehmenskultur passt. Das Tool muss dennoch gewissen Kriterien entsprechen:

  • Ein ernsthafter statistischer Validierungsprozess (Messen die Ergebnisse wirklich und in einem ausreichenden Grad an Präzision das, was sie vorgeben zu messen und sagen sie zukünftige Verhaltensweisen voraus? Diese Fragen können dem Beobachter gestellt werden…
  • Eine Ungebundenheit gegenüber jeglicher Ideologie, was Sekten, Politik und anderes angeht
  • Die Garantie der Vertraulichkeit der Antworten auf die unterschiedlichen Fragen
  • Eine strikt vertrauliche Nutzung der Ergebnisse der Antworten auf die unterschiedlichen Fragen
  • Eine strikt vertrauliche  Nutzung der Ergebnisse ausschließlich durch kompetente und anerkannte Fachleute
  • Eine Eichung, die die lokalen Besonderheiten berücksichtigt, (z.B. einige Verhaltenskriterien sind deutlich unterschiedlich zwischen Frankreich und der Westschweiz, zwischen der Westschweiz und der Deutschschweiz, usw.). Sehr wenige Tools sind an die Regionen angepasst. Je mehr die Unternehmen diese Analysen verlangen, um so mehr Tools werden dafür Sorge tragen
  • Der auf einen Dialog abzielende Aufbau des Tools.
  • Das Tool darf nicht den Anspruch haben, ein Selbstzweck zu sein.
Der Bewertungsprozess und seine Folge

Nach einer Kompetenzbeurteilung wird oft ein Urteil vom Typ „Erfolg“/“Misserfolg“ erteilt. Um erfolgreich zu sein soll die Beurteilung dennoch etwa subtiler sein.

Man sollte sich tatsächlich immer wieder daran erinnern, dass die perfekte Übereinstimmung zwischen einer Stelle und einem Angestellten unerreichbar ist – und das ist gut so. Tatsächlich wäre eine perfekte Übereinstimmung für den Angestellten nicht motivierend und würde keinen Raum für eine Weiterentwicklung des Mitarbeiters lassen. Eine Stelle sollte dem Angestellten also immer die Möglichkeit geben, sich zu übertreffen und seine Kompetenzen zu entwickeln.

Der Beobachter konzentriert sich also zunächst auf die Feststellung des Abstands zwischen der Stelle und der Person, dann auf die Strukturen dieser Abweichung, während er dem Bewerber dabei hilft, diese zu verstehen und zu akzeptieren. Der Vorgesetzte des Mitarbeiters sollte ebenfalls in dieses Vorgehen mit einbezogen werden, um seine Unterstützung in effizienter Art und Weise mit einbringen zu können. Er kann als ein „Coach“, der seinem Mitarbeiter dabei helfen wird, die erwarteten Leistungen zu erbringen, indem er ihn in seiner persönlichen und beruflichen Entwicklung unterstützt.

Wenn die Person ein höheres Potenzial besitzt, als das was die Stelle benötigt, besteht ein bedeutendes Risiko an Frustration und Demotivierung. Diese Fälle sind gefährlicher als die vorhergehenden. Die Person kann sich unnütz, herabgewertet fühlen, was deutlich ihre Leistungsfähigkeit beeinflussen kann, und sogar dazu führen kann, dass sie Tätigkeiten, die sie eigentlich perfekt beherrscht, nicht mehr ausführen kann. Eine solche Situation ist also nur haltbar, solange sie bekannt, akzeptiert und temporär ist.

In jedem Fall ist es wünschenswert, dass die Beurteilung auf einen Aktionsplan für die Weiterbildung und Entwicklung der Person hinausläuft. Dieser Plan wird von dem hierarchisch Vorgesetzten umgesetzt, verfolgt und abgesichert, mit der Unterstützung des Verantwortlichen für Human Resources. Eine erneute Kontroll-Beurteilung kann zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden, um die erzielten Fortschritte genau zu messen.

Dazu soll man sich bewusst werden, dass das Potenzial sich mit der Zeit verändert. Es hängt für jeden von uns davon ab, dieses Potenzial zu analysieren und in Richtung auf ein motivierendes Ziel zu entwickeln. Aber dies ist nicht immer einfach und verlangt oft bedeutende persönliche Anstrengungen, um so mehr, als die Lösungen immer einmalig und individuell sind. Sie werden exakt auf die Bedürfnisse der Person abgestimmt. Es gibt kein typisches Entwicklungsmodell.

Der Beruf des Beobachters ist also eine komplexe Tätigkeit. Nichts ist weiss oder schwarz. Jede Situation ist besonders. Der Beobachter muss sich an die Einmaligkeit des Individuums auf möglichst objektive Art und Weise anpassen, unter Berücksichtigung der Anforderungen der Stelle und des Unternehmens. So ist der Beobachter bestmöglich in der Lage, den zur individuellen Entwicklung notwendigen Impuls zu geben. Eine grosse Verantwortung, die seitens des Beobachters eine bedeutende und permanente persönliche Entwicklung verlangt.

Wie bereitet man sich auf eine Potenzialanalyse vor?

Nach Detailbetrachtung der Modalitäten für einen betrieblichen Kompetenzbeurteilungsprozess bleibt die Frage bestehen, die jeden interessiert: kann man sich auf eine Potenzialanalyse vorbereiten und wenn ja, wie?

Viele Schriften wurden zu diesem Thema veröffentlicht und Seminare organisiert, um Leute darauf vorzubereiten, diverse Tests zu bestehen. Solange es sich um Fähigkeitstests handelt, ist diese Vorgehensweise recht verständlich. Jedoch, im Bereich der Potenzialanalyse kann es sich als kontraproduktiv erwirken, die Fallen einer gut aufgebauten Vorgehensweise umgehen zu versuchen. Die Qualität der Beurteilung kann tatsächlich durch einen Fehlen an Authentizität seitens des Bewerbers beeinträchtigt werden, welches einen Grund für die Abweisung eines Bewerbenden darstellen kann. Davon abgesehen, wenn die Person einen Posten bekommt, nachdem sie ein von der Realität abweichendes Bild gezeigt hat, wird sie mit inhärenten Schwierigkeiten in Bezug auf ihre Nichteignung zur Stelle konfrontiert werden. Das daraus entstehende Unbehagen straft die Person mehr als das Unternehmen.

Trotzdem können sich einige Ratschläge als nützlich erweisen:

  • Sich über die Anforderungen der Stelle informieren und seine eigene Eignung in bezug auf die Stelle analysieren, wie es der Beobachter später tun wird
  • Seine eigene Motivation für die Stelle analysieren; das Plus, was eine solche Aktivität  in der persönlichen Weiterentwicklung bringen wird
  • Sich so entspannt wie möglich vorstellen
  • Die Karte der Spontaneität, der Authentizität ausspielen, ohne sich eine fremde Persönlichkeit zu schmieden
  • Sich dem Dialog mit den Verantwortlichen öffnen
  • Es wagen, von seinen Stärken und Grenzen zu sprechen: die Ehrlichkeit zahlt sich zuletzt immer aus
  • Es wagen, Fragen zu stellen und als Bewerber den Posten und sein Umfeld zu bewerten
  • Die Auswirkungen dieser neuen Aktivität auf sein Privatleben bewerten (Familie, Soziales, Politik, usw.)
  • Schliesslich die Abweichung zwischen dem Posten und dem persönlichen Gewinn analysieren. Den zu leistenden Aufwand für die Integration bewerten; darüber diskutieren
  • Seine Entscheidung treffen.

Es stimmt wohl, dass der Arbeitgeber immer die seltene Perle sucht, das „Schaf mit fünf Füssen“. Der Bewerber wird sicherlich auch von Dingen des Prestiges, Status, Höhe des Gehalts angezogen, aber er ist auch sehr interessiert an seiner zukünftigen Zufriedenheit an seiner Arbeitsstelle, dass er sich in seiner beruflichen Verwirklichung wohl fühlt. Er ist also ebenso wie der Arbeitgeber darauf bedacht, seine Stärken hervorzuheben. Er kann es auch wagen „nein“ zu sagen zu einer Stelle, die ihn stressen würde durch Anforderungen, die nicht seinen Stärken entsprechen, durch das Risiko der Inkompetenz oder Krankheit (durch Nichtentsprechung seines beruflichen Umfeldes) die daraus folgen könnten.

Die Durchführung von Potenzialanalyses wird bei den Aktivitäten der Personalleitung eine immer grössere Rolle spielen. Jeder Bewerber, Mitarbeiter oder externe Bewerber kann sie entweder erdulden oder den Weg der Partnerschaft und des Dialogs mit seinem Unternehmen suchen, mit dem Ziel der individuellen und organisatorischen Entwicklung. In diesem Fall wird sie auf einen wirklichen „Vertrag“ herauslaufen, ob es sich um den Arbeitsvertrag oder um eine Zielvereinbarung handelt. Es ist unnötig, sich sofort auf die Leistungen zu konzentrieren. Ihre Entwicklung ergibt sich direkt aus der individuellen Entwicklung.

Man hätte es also geschafft, eine Zusammenarbeit aufzubauen, mit der Aussicht ein gemeinsames Ziel von zwei verantwortlichen Teilnehmern zu erreichen.

Um das Beispiel eines vollständigen Assessment Center Prozesses mit Muster Übungen und Rollenspielen zu entdecken, beziehen Sie sich bitte auf den Artikel „Die Durchführung eines Assessment Centers“.

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